Salutogene Organisation

Salutogenese und die Welt der Organisationen

Das Modell der Salutogenese haben wir bereits in diesem Beitrag vorgestellt, ebenso wie einen kleinen Überblick über das Konzept der Generalisierten Widerstandsressourcen.

Zwar liegt der Fokus des Modells der Salutogenese zunächst auf dem Individuum und seinen Bedingungen, wie Gesundheit entsteht, gefördert, aufrechterhalten oder wiederhergestellt werden kann. Doch der Alltag von Menschen gestaltet sich überwiegend in verschiedenen Settings auf der Meso-Ebene, also in Familien, Gruppen, Organisationen etc. (Bauer 2017). Dementsprechend lässt sich das Prinzip der Salutogenese auch auf Gruppen und Organisationen sowie deren Zusammenspiel mit den Individuen übertragen.

Salutogenese in Organisationen

Organisationen und andere soziale Kontexte oder Felder haben einen klaren Einfluss auf die Gesundheit ihrer Mitglieder, Kunden oder den erweiterten sozialen Kontext, in dem sie agieren (Bauer 2017; Bauer und Jenny 2017; Vaandrager und Kennedy 2017). Denken Sie an Bedarfe und Ansprüche, die ein Arbeitsplatz an seine Mitglieder stellt, die Umwelteinflüsse von Produktionsstätten oder welche Ressourcen ein salutogener Arbeitsplatz bieten kann (Jenny et al. 2017). Sinnstiftende Arbeit (z.B. klare Zwecke einer Organisation oder eines Tätigkeitsbereichs), eine Führung/ein Führungssystem, das Stärken und Ressourcen der Mitarbeitenden fördert, eine klare, produktivitätswahrende und beziehungsfördernde Kommunikation, ein den Mitarbeitendenbedürfnissen entsprechendes Maß an Partizipation und Autonomie sowie Fördermöglichkeiten für die körperliche, geistige und soziale Gesundheit sind Beispiele dafür, wie der Kohärenzsinn und die Ressourcen der Mitarbeitenden und damit deren Gesundheit gefördert werden.

 

Salutogene Organisation

Aber auch Organisationen selbst müssen gesund sein, um optimal an der Erfüllung ihrer Zwecke zu arbeiten. Auch sie bedürfen eines „körperlichen“ (z.B. Räumlichkeiten, gut geölte Maschinen, funktionierendes Internet, intakte Infrastruktur usw.), geistigen (gesunde, motivierte, fähige Mitarbeitende, passende formale und informale Strukturen) sowie sozialen (z.B. gute Beziehungen zu externen Akteuren und Einbettung in die Sozialstruktur der Kommune) Wohlergehens. Dementsprechend haben auch Organisationen (generalisierte Widerstands-)Ressourcen und einen Kohärenzsinn, der im Folgenden kurz erläutert wird.

 

Verstehbarkeit

Klare Strukturen, Prozesse und Kommunikationswege zeichnen eine Organisation mit hoher Verstehbarkeit aus, denn so können die Mitarbeitenden Ziele, Werte, Erwartungen etc. einordnen und als stimmig und schlüssig wahrnehmen. Sie können die eigenen Rollen und Verantwortlichkeiten besser verstehen – auch oder insbesondere, wenn es um unliebsame oder Routinearbeit geht. Folglich fällt es ihnen auch leichter, organisationale Probleme oder die Anliegen von Kunden, Lieferanten o.ä. zu verstehen. Die Organisation als solche versteht die Regeln des Feldes, auf dem sie spielt, leichter/besser und kann passender auf unvorhersehbare Spielzüge anderer Organisationen oder höhere Gewalt reagieren. Es besteht eine „Kultur der Verstehbarkeit“.

 

Sinnhaftigkeit

Mitarbeitende in einer Organisation mit einem hohen Maß an Sinnhaftigkeit können ihre Arbeit sowie die Ziele und Zwecke der Organisation leichter in einen übergeordneten Kontext einordnen und empfinden, dass sie einen Beitrag zum Erfolg der Organisation leisten. Das fördert nicht nur die individuelle Sinnhaftigkeit der Mitarbeitenden, sondern ermöglicht der Organisation auch in schwierigen Phasen nicht die Energie zu verlieren und gestärkt aus Krisen hervorzugehen. Es gibt eine „Kultur der Sinnhaftigkeit“.

 

Handhabbarkeit

In der Organisation herrscht eine Kultur, in der die Mitarbeitenden überzeugt sind, durch ihr Handeln ihre Aufgaben bewältigen, Probleme lösen oder bei Innovationen mit anpacken zu können. Eine Organisation, in der eine „Kultur der Handhabbarkeit“ vorherrscht, macht sich handlungsfähiger. Die Organisation strahlt zudem Kompetenz und Leistungsfähigkeit nach außen aus. Gesamtorganisationale Probleme werden angegangen und auch komplexe Kundenanliegen produktiv gelöst.

Fazit

Zusammenfassend ist die Salutogenese-Perspektive ein hilfreiches Rahmenwerk, um Führungskräfte, Organisationsberater oder -entwickler in der Gestaltung von Organisationen (oder deren Subeinheiten) zu unterstützen. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Förderung der Gesundheit ihrer Mitarbeitenden (z.B. auch im Rahmen Betrieblicher Gesundheitsförderung), sondern auch für die Gestaltung einer „humanen“ und nachhaltig erfolgreichen Organisation.

 

Sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene liegt der Vorteil des Modells darin, dass es nicht vorschreibt, was genau unter sinnhaft zu verstehen ist, um welche Werte es sich handelt, wie genau Strukturen oder Prozesse auszusehen haben, wie genau beziehungsfördernd zu kommunizieren ist oder ob viel oder wenig Autonomie und Partizipation das passende Mittel zur Förderung des Kohärenzsinns sind. Es ist ein analytisches Hilfsmittel, das Menschen, Coaches, Beratende, Organisationsentwickler und Führungskräfte dabei unterstützt, den Fokus auf das zu legen, worauf es ankommt. Es ermöglicht, das Ganze aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, Gedanken zu strukturieren und einzuordnen, um dann daraus für den vorliegenden Fall entsprechende Schritte einzuleiten. Eines tut das Modell nicht: Es liefert keine Rezepte!

Literatur

Bauer, Georg F. 2017. The Application of Salutogenesis in Everyday Settings. In The Handbook of Salutogenesis, Hrsg. Maurice B. Mittelmark et al., 153–158. SpringerOpen.

Bauer, Georg F., und Gregor J. Jenny. 2017. The Application of Salutogenesis to Organisations. In The Handbook of Salutogenesis, Hrsg. Maurice B. Mittelmark et al., 211–224. SpringerOpen.

Jenny, Gregor J., Georg F. Bauer, Hege Forbech Vinje, Katharina Vogt, und Steffen Torp. 2017. The Application of Salutogenesis to Work. In The Handbook of Salutogenesis, Hrsg. Maurice B. Mittelmark et al., 197–210. Cham: Springer International Publishing.

Vaandrager, Lenneke, und Lynne Kennedy. 2017. The Application of Salutogenesis in Communities and Neighborhoods. In The Handbook of Salutogenesis, Hrsg. Maurice B. Mittelmark et al., 159–170. SpringerOpen.

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